
Die Geschichte des Waldes
Die Geschichte des Waldes in Deutschland ist von ständigen Veränderungen geprägt. Nach der letzten Eiszeit breiteten sich die Wälder wieder aus, wobei Buchenwälder dominierend waren. Der menschliche Einfluss begann mit der Rodung im Mittelalter und der intensiven Nutzung der Wälder, was zu einem Rückgang der Waldflächen führte. Diese Veränderungen setzten sich bis zur Industrialisierung fort, wobei die Forstwirtschaft zur nachhaltigen Holzernte beitrug.
Der Urwald in Deutschland
Der Wald ist ein dynamisches Ökosystem, das sich im Laufe der Erdgeschichte in Ausdehnung und Zusammensetzung ständig verändert hat. Besonders die klimatischen Schwankungen der vergangenen Jahrtausende prägten die Vegetation Mitteleuropas nachhaltig.
Während der letzten Eiszeit, der Weichsel- bzw. Würm-Kaltzeit, die vor rund 10.000 Jahren endete, waren große Teile Europas von Gletschern oder tundraähnlichen Landschaften bedeckt. Während der Kaltzeit zogen sich die Baumarten in sogenannte Refugien nach Südeuropa zurück. Dieser über Jahrtausende andauernde Rückzugs- und Wiederansiedlungsprozess führte zu einer deutlichen Reduktion der Baumartenvielfalt in Europa. Die Größe der Refugienfläche im Mittelmeerraum war begrenzt, was ebenfalls zu dem Rückgang beitrug. Vor diesem vegetationsgeschichtlichen Hintergrund lässt sich auch erklären, warum wir in Europa nur wenige hundert Baumarten haben, während in Nordamerika über tausend Baumarten vertreten sind.
Mit der nachfolgenden Erwärmung des Klimas kehrten die Wälder wieder nach Mitteleuropa zurück und breiteten sich in Richtung Norden aus. Um etwa 7000 v. Chr. erreichte Mitteleuropa seine maximale Waldbedeckung und die Region war nahezu vollständig bewaldet – weitgehend unbeeinflusst vom Menschen. Die potenzielle natürliche Vegetation auf dem Gebiet des heutigen Deutschlands bestand zu rund 66 % aus Buchenwäldern.
Um die historische Vegetation und deren Baumartenzusammensetzung zu rekonstruieren, untersuchen Forschende Pollen aus Seesedimenten und Moorschichten. Durch Rodungen, Landnutzung und forstliche Eingriffe wurde die ursprüngliche Waldverteilung und Baumartenzusammensetzung stark durch den Menschen verändert. Heute existieren in Europa in etwa nur noch drei Prozent Primärwälder, also unberührte Waldökosysteme, die sich ohne menschliche Einflussnahme entwickelt haben. Die in der deutschen Sprache umgangssprachlich als „Urwälder“ bezeichneten Primärwälder gibt es in Deutschland nicht mehr. Sämtliche Wälder wurden im Laufe der Jahrhunderte genutzt, umgewandelt oder forstlich bewirtschaftet.
Der Wald im Mittelalter
Mit der Sesshaftwerdung des Menschen und der Ausweitung landwirtschaftlicher Flächen wurden weite Teile des Waldes gerodet. In der vorchristlichen Zeit waren die Wälder ein besonderer Gegenstand der Mystik, ein bekanntes Beispiel ist die Weltenesche der nordischen Mythologie. Mit dem wachsender Besiedlungsdichte im frühen Mittelalter, der Christianisierung und der Ausbreitung von Klöstern nahm die Entwaldung weiter zu. Heute erinnern einige Ortsnahmen wie Osterrode oder Elbingerode im Harz noch an diese Entwicklung, die Endung „-rode“ verweist auf die damalige Waldrodung.
Trotz dieser Eingriffe blieb der Wald ein zentraler Bestandteil im Leben der Menschen: Sowohl als spiritueller Ort als auch als wichtige Rohstoffquelle. Der Wald diente außerdem zur Gewinnung von Lindenbast und für die Herstellung von Korbwaren. Die Hutewaldwirtschaft, bei der Schweine in den Wald getrieben und mit Eicheln und Bucheckern gemästet wurden, war ebenfalls weit verbreitet. Holz war der wichtigste Rohstoff für den Bau und der primäre Energieträger zum Heizen. Ein großer Teil des Holzes wurde verkohlt und für die Verhüttung von Erzen benötigt. An vielen Orten lassen sich bis heute flache Stellen mit Holzkohle-Resten im Boden finden – ehemalige Kohlemeilerstandorte.
Besonders in Siedlungsnähe führte die unregulierte Holznutzung zu einem starken Rückgang der Waldfläche. Bäume wurden oft bereits nach wenigen Jahrzehnten wieder genutzt, noch bevor sie ihre volle Reife erreichten. Diese damals weit verbreitete Form der Waldnutzung bezeichnet man als Niederwaldwirtschaft. Obwohl diese Bewirtschaftungsweise kein Bauholz lieferte, stellte sie, aufgrund der kurzen Umtriebszeit, eine effektive Methode zur Deckung des Brennholzbedarfs dar. Periodienweise sorgten Kriege und Ausbrüche der Pest immer wieder für eine kurzfristige Erholung der Waldfläche in Europa.
Die Übernutzung der Wälder
Im Spätmittelalter und in der frühen Neuzeit wurden die Wälder durch ihre Vielzweckwirtschaft geprägt und degradiert. Ein bekanntes Beispiel für die Übernutzung des Waldes ist die Lüneburger Heide. Durch den enormen Holzbedarf für das Sieden der Salzsole in Lüneburg, wurden die Wälder nach und nach abgeholzt und es entstand die heutige Lüneburger Heide. Eine magere und durch Winderosion gefährdete Kulturlandschaft, die erst im Laufe der Jahrhunderte wieder teilweise bewaldet wurde.
Auch die sogenannte Streunutzung – das Sammeln von Laub und Nadeln zur Stall-Einstreu – trug zur Verarmung der Waldböden bei. Dies hatte zur Folge, dass der Boden nährstoffärmer und anfälliger für Erosion wurde. Mitte des 18. Jahrhunderts waren große Teile Deutschlands entwaldet. Auf historischen Kupferstichen von Städten dieser Zeit lässt sich dieser Zustand gut nachvollziehen. Im Hintergrund steht dort selten ein Baum auf den umliegenden Hügeln. Der Schwarzwald war als Folge der intensiven Waldnutzung und des fehlenden Managements zu dieser Zeit nur noch zu 20 % bewaldet.

Das Aufkommen der Forstwirtschaft
Angesichts der Holznot entwickelten Fürsten und ihre Beamten neue Strategien zur Ressourcensicherung. Die Idee der nachhaltigen Forstwirtschaft gewann an Bedeutung: Es sollte nur so viel Holz entnommen werden, wie auch wieder nachwächst. Wegweisend war Hans Carl von Carlowitz mit seinem Werk „Sylvicultura oekonomica“ aus dem Jahr 1713.
Mit dem Aufkommen der Industrialisierung und einem Bevölkerungswachstum als Folge der landwirtschaftlichen Revolution des 18. und 19. Jahrhunderts veränderten sich auch die Anforderungen an das Holz aus dem Wald. Der Abbau von fossiler Kohle entlastete den Wald zwar als Energieholzproduzent, doch der Bedarf an Bauholz nahm zu. Als Reaktion auf den steigenden Bedarf erfolgte die Begründung der Forstwirtschaft, deren Ziel die Regelung der Holzproduktion unter Berücksichtigung nachhaltiger Aspekte war. Es wurde primär auf anspruchslose Nadelbaumarten, wie die Kiefer oder schnellwüchsige Baumarten wie die Fichte gesetzt. Bauholz war damals wie heute beinahe ausschließlich Nadelholz. Für eine systematische Bewirtschaftung wurde das sogenannte Flächenfachwerk entwickelt. Der Wald wurde in gleich große Parzellen mit gleichaltrigen Bäumen eingeteilt. Jedes Jahr wurde eine Parzelle geerntet und neu bepflanzt – so konnte dauerhaft eine nachhaltige Holznutzung gewährleistet werden.
Entwicklung in der Forstwirtschaft
Noch heute weisen manche Nadelholz-Monokulturen Strukturen auf, die dem Modell des Flächenfachwerks ähneln. Solche Reinbestände waren jedoch schon vor den heutigen Klimaextremen anfällig für Sturmschäden und Schädlingsbefall, insbesondere durch den Borkenkäfer. Bereits im frühen 20. Jahrhundert wurde diese Praxis von Fachleuten als risikobehaftet und naturfern kritisiert.
Alfred Möller formulierte in den 1920er-Jahren das Konzept des Dauerwaldes. Dabei geht es um eine naturnahe Bewirtschaftungsform, bei der natürliche Prozesse genutzt und gefördert werden. Das bedeutet: standortgerechte Baumartenwahl, natürliche Verjüngung sowie ein Verzicht auf Kahlschläge und großflächige Pflanzungen. Trotz der Vorteile wie geringeres Risiko und höhere Stabilität konnte sich das Dauerwald-Konzept lange nicht durchsetzen – es wird bis heute kontrovers diskutiert. Spätestens mit dem sogenannten „Waldsterben“ der 1980er-Jahre, ausgelöst durch hohe Schwefeldioxidwerte in der Luft, kam es zu einer politischen Einigung auf eine naturnähere Bewirtschaftung, insbesondere im Staatswald.
Letztendlich kann also eine Fichtenkultur ohne Zaun und mit einer günstigen Pflanzung deutlich günstiger sein als unter anderem eine Eichenaufforstung mit Zaun. Für einen tieferen Einblick in den deutschen Wald verweisen wir auf unseren ausführlichen Artikel dazu.