Rechtsprechung: Mehr Spielraum für Ausgleich bei Windenergieanlagen

Das Bundesverwaltungsgericht hat 2024 entschieden, dass bei Windenergieanlagen nicht automatisch Ersatzzahlungen fällig werden müssen, wenn das Landschaftsbild beeinträchtigt ist. Stattdessen können Projektträger funktionale Ersatzmaßnahmen anbieten.

Naturschutzrechtliche Eingriffsregelung als Grundlage

Windenergieanlagen sind ein zentraler Baustein der Energiewende. Während viele sie als Symbol für Klimaschutz und Fortschritt sehen, gelten sie für andere als starker Eingriff in das Landschaftsbild. In Genehmigungsverfahren wird deshalb geprüft, wie solche Eingriffe nach der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung ausgeglichen werden können.

Bisher mussten Projektträger in der Praxis oft Ersatzzahlungen leisten, wenn ein gleichartiger Ausgleich nicht möglich war. Ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts aus 2024 bringt Bewegung in die Entscheidungen.

Das Urteil in Kürze

Das Bundesverwaltungsgericht (Urteil vom 12.09.2024, Az. 7 C 3/23) hat klargestellt, dass die Kompensation von Eingriffen in Natur und Landschaft nicht zwingend spiegelbildlich erfolgen muss.

  • Maßgeblich ist der gleichwertige Ausgleich, nicht zwingend ein identischer.
  • Ersatzmaßnahmen dürfen auch dort ansetzen, wo die Landschaft insgesamt positiv beeinflusst wird, nicht nur an der konkreten Stelle des Eingriffs.
  • Für Behörden ergibt sich daraus, dass Ersatzzahlungen nicht automatisch die einzige Option sind, sondern dass auch Ausgleichs- oder Ersatzmaßnahmen in Betracht kommen können. Grundsätzlich gilt bereits nach dem Bundesnaturschutzgesetz, dass Ersatzzahlungen nachrangig gegenüber Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen sind. Das Urteil unterstreicht, dass diese Reihenfolge auch für Windenergieanlagen Anwendung findet.

Bedeutung für die Praxis

Für Projektträger eröffnet das Urteil neue Handlungsspielräume. Anstelle von Ersatzzahlungen nach festgelegten landesrechtlichen Modellen, können sie künftig konkrete Maßnahmen einbringen, die auf die jeweilige Landschaft zugeschnitten sind. Die Möglichkeit, Maßnahmen direkt umzusetzen, bietet zusätzliche Flexibilität und Gestaltungsspielraum.

Gleichzeitig lassen sich mit sichtbaren Aufwertungen vor Ort positive Effekte für die Region erzielen – ein Aspekt, der die Akzeptanz von Windenergieanlagen in der Bevölkerung fördern kann. Auch die Behörden profitieren, da sie nicht mehr allein auf Zahlungen zurückgreifen müssen, sondern individuelle Lösungen berücksichtigen können, die sowohl ökologisch als auch landschaftlich sinnvoll sind.

Praxisbeispiel

Ein Projektträger möchte drei neue Windenergieanlagen in einer offenen Agrarlandschaft errichten. Nach den bisherigen Regelungen wäre dies in der Genehmigungspraxis in aller Regel mit einer Ersatzzahlung verbunden gewesen, sobald ein Eingriff in das Landschaftsbild festgestellt wurde.

Grundlage dafür sind die landesrechtlichen Vorgaben, die bei vertikalen Strukturen ab einer bestimmten Höhe eine Zahlung vorsehen. Erst im zweiten Schritt wird das Landschaftsbild genauer bewertet: Je höher die Wertigkeit des Landschaftsraums, desto höher fällt auch das Ersatzgeld aus.

Mit dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts kann der Projektträger nun jedoch eine andere Lösung wählen: Anstelle der Zahlung schlägt er Maßnahmen vor, die die Landschaft insgesamt aufwerten. So kann er bislang strukturlose Ackerflächen durch Blühstreifen und Hecken abwechslungsreicher gestalten, einen Aussichtspunkt mit Informationen zur Landschaft einrichten oder durch gezielte Pflanzungen harte Übergänge zwischen Wald und Feld harmonischer machen.

Diese Maßnahmen verändern das Landschaftsbild zwar nicht in identischer Art wie die Windräder, sie steigern aber seine Qualität und Wahrnehmung und erfüllen damit die Anforderungen an eine gleichwertige Kompensation.

Chancen für Projektträger und Regionen

Das Urteil stärkt die Möglichkeit, Eingriffe durch Windenergieanlagen mit kreativen und funktionalen Maßnahmen auszugleichen. Projektträger können so nicht nur die Anforderungen der rechtlichen Grundlagen erfüllen, sondern auch einen Mehrwert für Landschaft und Region schaffen. Dies stellt einen wichtigen Beitrag zur Verknüpfung von Energiewende und Naturschutz dar.

Trotz der unterschiedlichen Wahrnehmung von Windenergieanlagen, auf der einen Seite als Fortschritt, auf der anderen Seite als Eingriff, können begleitende Maßnahmen helfen, die Landschaft insgesamt aufzuwerten und die Akzeptanz zu erhöhen.